• Irma La Douce

  • Nici Jost, tried to make it pretty in 10 hours, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Nici Jost, tried to make it pretty in 10 hours, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Denise Fonjallaz, Gone Girl, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Denise Fonjallaz, Gone Girl, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Lea Rüegg und Yanik Soland, Schatzsuche, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Lea Rüegg und Yanik Soland, Schatzsuche, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Lena Kiss, Living Room, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Almira Medaric, Bed Frame, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Jelena Savic und Jorim Huber, Fantastischer Realismus, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Karin Würmli, calmy heavert, 2015. Foto: Nici Jost.

  • Anna Balint, Boudoir de Irma, 2015, Videoinstalltaion, Loop. Foto: Nici Jost.

Irma la Douce – Revisited

19. Februar – 28. Februar 2015
Penthouse Gallery, Zürich

Mit Anna Balint, Angela Baumgartner, Manuela Cossalter, Mariejon De Jong-Buijs, Denise Fonjallaz, Tomaz Gnus, Fanny Jemmely, Nici Jost, Lena Kiss, Almira Medaric, Julia Minnig, Annette Mueller, Patricia Murawski, Elia Navarro, Katrin Niedermeier, Maeva Rosset, Lea Rüegg & Yanik Soland, Jelena Savic & Jorim Huber, Pascal Sidler, Aline Stalder, Karin Würmli.

Organisation: Penthouse Gallery, Marion Ritzmann und Alice Wilke / Institut Kunst HGK FHNW

 
Studierende des Instituts Kunst der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel (HGK FHNW) waren zu Gast in der Penthouse Gallery (Simon Heusser) und bespielten während zwei Wochen das Haus des ehemaligen Lokals Irma la Douce vom Keller bis in den vierten Stock. Die Gruppenausstellung REVISITED vollzog eine erneute Betrachtung und Begehung der zahlreichen Räume durch junge Schweizer KünstlerInnen. Gezeigt wurden zu diesem Anlass neu entwickelte Arbeiten, die in vielfältiger Weise auf die Situation und die hinterbliebenen Spuren der Vergangenheit dieses Ortes Bezug genommen haben. Das mediale Spektrum der gezeigten Werke reichte von Zeichnung, Malerei und Skulptur bis hin zu Audio- und Videoinstallationen.

Der Name REVISITED meinte in diesem Kontext einerseits das Zurückgreifen auf Vorhandenes als eine künstlerische Strategie der Aneignung und Umwandlung. Zugleich formulierte sich mit dem Titel eine Anspielung auf das Überdenken von Bestehendem in Bezug auf den Prozess der Wahrnehmung. In diesem Sinne ermöglichte das Ausstellungsprojekt, die Räumlichkeiten des einstigen Etablissements auf andere Art zu betrachten und zu erleben.

Das Gebäude in Zwischennutzung war mehr als ein leerer Raum mit ausreichend Platz für das temporäre Projekt. Die einzelnen Zimmer des Hauses mit ihren Spuren gelebten Lebens provozierten geradezu neue Geschichten, sie boten sich wie von selbst als vielseitige Kulissen für diverse gestalterische Eingriffe an. Die künstlerische Arbeit fand hier andere Bedingungen der Produktion und Rezeption als in einem neutral weissen Galerieraum. Eine Aufgabe, die die KünstlerInnen auf verschiedene Art und Weise aufgenommen haben und die jede/jeder individuell für sich deutete und umsetzte.

Die direkte Intervention mit bestehenden architektonischen Strukturen war eine mögliche Strategie, der mehrere KünstlerInnen der Gruppe nachgegangen sind. Zwei malerische Eingriffe fanden sich an Orten, die in der Regel nicht zum Verweilen beschaffen sind. Beginnend im Kellerraum, den Nici Jost (tried to make it pretty in 10 hours, 2015) mittels massivem Einsatz von Farbe umwandelte, hin zur Wandmalerei von Mariejon De Jong-Buijs (Adaptation, 2015), die organisch das 3. Obergeschoss mit dem 4. verbunden hat. Für ihre Videoinstallationen nahm Aline Stalder den realen Raum als materielle Ausgangslage, isolierte einzelne Bildelemente und setzte diese digital neu zusammen.

Der individuelle Zugang zum Ort und seinen spezifischen Bedingungen des Ausstellens wurde zudem erprobt durch das Schaffen von neuen Situationen und dem Positionieren der eigenen thematischen Schwerpunkte innerhalb des spezifischen Kontextes. Katrin Niedermeier (digital landscape, just before dawn) transformierte den digitalen Bildfindungsprozess von Google Streetview in das analoge Medium der Malerei und zeigte eine anonymisierte Stadtlandschaft der Zürcher Innenstadt. Das Wechselspiel von Innenraum und Aussenraum thematisierten auf andere Art und Weise Jelena Savic & Jorim Huber (Fantastischer Realismus, 2015) mit ihrer Videoinstallation, die bewusst keine konkrete Verortung zeigte, sondern eine visuelle Öffnung des realen Raumes nach allen Seiten vollzog.

Das „sich selbst schützende Objekt“ von Tomaz Gnus (ohne Titel, 2015) weckte durch seine Präsenz an diesem Ort und seiner eigenen Geschichte weitreichende Assoziationen beim Betrachter. Der Dialog zwischen Objekt und situativem Kontext eröffnete ebenso bei der Skulptur von Maeva Rosset (Cleanfeelsgood, 2015) neue Bedeutungsebenen und nahezu anekdotenhaft präsentierte sich die Keramikfigur von Manuela Cossalter (Fina, 2015) ihren Besuchern im kleinsten Raum, dem stillen Örtchen. Das Badezimmer als Display hatten weitere Künstlerinnen gewählt: Fanny Jemmely (Thanaterros, 2014) für ihr intimes, (selbst-)kritisches Video; gleich nebenan wurden im Kontrast dazu mit der Audioinstallation von Angela Baumgartner (ohne Titel, 2015) humorvoll heitere Töne angeschlagen. Die Videoarbeit von Elia Navarro (Foam Landscapes, 2015) knüpfte visuell und auditiv an die gegebene Raumsituation an.

Mittels Gehör liess sich ebenso die Arbeit von Karin Würmli (calmy heavert, 2015) orten – oder man suchte nach dem Bild mit den Häschen, ein Fundstück, das sie in ihre Arbeit integriert hat. Der Tigerkopf von Pascal Sidler (Tigerpiece, 2015), der an der Balustrade des Balkons reklamegleich leuchtete, verdankte ebenfalls sein Motiv einem mittlerweile verschollenen Vorbild innerhalb des Hauses.

Ohne direkten Bezug zu architektonischen Relikten innerhalb des Gebäudes, aber mit situativer Einfühlsamkeit spielten die Arbeiten von Lena Kiss (Living Room, 2015), die ihre Bildobjekte unter dem Thema der Rahmung im Raum positionierte, sowie die Installation aus Aquarellen und Lampen von Annette Mueller (Désirer, 2014/15) die Intimität und körperliches Begehren vermittelte, sowie die Lithografien Patricia Murawski (it`s me, 2009), deren schemenhafte weibliche Portraits die generelle Frage nach Identität stellten.

Einen Schritt weiter ging Denise Fonjallaz (Gone Girl, 2015) mit ihrer raumfüllenden Installation von Fotografien der zurückgelassenen Besitztümer einer fiktiven weiblichen Person, die dem Betrachter mittels der präsentierten Objekte eine persönliche Geschichte suggerierten. Visuelle Eindrücke von Abwesenheit und Hinterlassenschaft fanden sich auf andere Weise auch in der Videoinstallation von Julia Minnig (If I see your house I`ll turn in, 2014) wieder, die einen poetischen Film über ein verlassenes Gebäude in Abchasien gedreht hat.

Geschichten von Leid, Lust und Leidenschaft waren die naheliegenden Motive und Sujets für einen Ort wie das ehemalige Irma la Douce. Die Bodenskulptur von Almira Medaric (Bed Frame, 2015) griff bewusst die Form eines Bettrahmens auf und konfrontierte den Betrachter anstelle einer konkreten Person mit intimen Gedankensätzen, die wie Notizen oder Tagebucheinträge wirkten. Das Geheimnis der kinetischen Skulptur von Lea Rüegg & Yanik Soland (Schatzsuche, 2015)offenbarte sich dem Betrachter erst durch die dazugehörigen vier kurzen Videosequenzen, die diese alltäglichen Objekte in erotische Requisiten verwandelten. In weniger expliziter Weise, aber dennoch mit einer Portion Erotik war die Arbeit von Anna Balint (Boudoir de Irma, 2015) zugleich eine Hommage an die Namenspatronin Irma, die in den Arkaden der Bar filmisch wieder neu zum Leben erweckt wurde.
— Alice Wilke