Club Univers

oder das Prinzip der totalen Inklusion

27. November 2016 – 15. Januar 2017
SALTS, Birsfelden
www.salts.ch

Mit Angèle Siegenthaler, Katharina Kemmerling, Gregory Stäuble, Linda Wunderlin, Dario Zeo, Sebastien Rück, Davide Wouda, Iris Brodbeck, Manuela Cossalter, Laura Mietrup, Aline Stalder, Chris Handberg, Cyril Hübscher, Njomza Sadikaj, Simone Steinegger, Aysa Stettler, Nadine Cueni, Markus Aebersold, Anna Diehl, Ambra Viviani and Manuel Koechli.

Kuratiert von Chus Martínez, Assistenzkuratorin, Eveline Wüthrich, Display Idee, Ambra Viviani

 
Über die Toleranz wurde schon viel geschrieben, nun müssen wir merken, dass wir auch eine starke Praxis der Inklusion nötig haben. Dem Projekt gint die Frage voraus: Ist es sinnvoll, alle Künstlerinnen und Künstler, die an einem Projekt teilnehmen wollen, zuzulassen und jedes Werk aufzunehmen, das vorgeschlagen wird? Vor zehn oder fünfzehn Jahren war man an jedem Podium, an dem über das Thema „Kuratieren“ diskutiert wurde, mit der Frage nach den Auswahlkriterien beschäftigt; hier und heute tun wir unser Bestes, um gerade diese Fragestellung zu vermeiden. Ich nenne diese Ausstellung hier eine Übung in Sachen Inklusion, und wenn ich dabei von Übung spreche, dann spiele ich in keiner Weise auf etwas an, das weniger als eine Ausstellung wäre. Es ist eine Ausstellung die Kunstwerke von Künstlerinnen und Künstlern präsentiert, dabei einem gewissen Prinzip folgt das dem Betrachter dabei behilflich ist, sowohl jedes einzelne Objekt für sich zu beurteilen wie auch alle Objekte in Beziehung zueinander zu setzen.

Diese Gruppenausstellung nahm ihren Anfang während einem ersten Treffen, bei dem wir eine einfache Idee verhandelten: Wenn wir die Welt anders denken wollen, dann müssen wir uns Organe und Sinne vorstellen können, die eben diese Welt auch anders erfühlen. Eine derartige Prämisse wurde dann von jedem Künstler auf je unterschiedliche Weise verstanden und aufgenommen. Und gerade mit solchen Unterschieden und Verschiedenheiten haben gewisse kuratorische Praktiken ihre Schwierigkeit. Bedeutet Kuratieren nicht, einen Sinn für Einheitlichkeit bei dem Vorschlag zu entwickeln, den wir den Betrachtern unterbreiten? Ja und Nein. Da Institutionen Kohärenz-Maschinen sind und unsere gesellschaftlichen und politischen Systeme eine solche pragmatisch-vereinheitlichende Sicht auszuweiten suchen und prinzipiell befürworten, darf man getrost behaupten, dass wir im Gegenzug dazu auch die Ungleichförmigkeit thematisieren und willkommen heissen. Oh – das ist nun aber nicht dasselbe, ob man die totale Inklusion in der Kunst oder im Gesellschaftlichen fordert, könnten Sie nun einwenden. Aber warum eigentlich nicht? Man kann sagen, dass die Kunst uns heute nicht bloss einen ausgezeichneten Anlass dafür liefert, unsere traditionellen Vorstellungen von Erfahrung und von der Rolle der Sinne im Vergleich zu dem was wir wissen und verstehen können erweitert, sondern Kunst trägt zur Philosophie – ja sogar Moralphilosophie – bei, indem sie Prinzipien (wie die Inklusion) verkörpert. Auf diese Weise macht Kunst anschaulich, dass wir ohne Zweifel unseren Gesellschaftsvertrag erneuern müssen. Eingangs habe ich vom Kuratieren und der Auswahl gesprochen.

Wer sich heute durch die Sprache der Kunstvermittlung hindurcharbeitet, stösst immer wieder auf das Wort eintauchen. Wenn man das ernst nimmt, kann man mit den Worten Martha Nussbaums sagen, dass uns das „Eintauchen in die Kunst zu besseren Bürgern oder Menschen macht“. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es eintauchen nennen würde, sondern ziehe das Wort Inklusion vor. Ich nenne es Inklusion gerade dort, wo selbst ein kleiner Akt wie dieser hier, Ihnen die vielen Kunstwerke vorzustellen, die Notwendigkeit der besonderen (vielleicht sogar der einzigartigen) Merkmale konkreter Situationen bezeugt, die uns auf grössere Aufgaben vorbereiten – zum Beispiel die Xenophobie zu bekämpfen, die sich zur neuen „Institutionenkritik“ aufschwingen will.
– Chus Martínez