• Tamara Janes

  • Inka Ter Haar

  • Othmar Farré

  • Mathis Pfäffli

  • Mathis Pfäffli

  • Smash

  • Ambra Viviani

  • Ambra Viviani

  • Tanja Weidmann

  • Otthmar Farré

  • Aida Kidane, background: Raphael Loosli, Philémon Otth, Daniel Kurth

  • Philémon Otth

  • Arnaud Wohlhauser

  • Anna Diehl

  • David Berweger

  • Gil Pellaton

C’est fini l’ironie

Masterklasse 15

31. Juli — 4. August 2016
Carosserie, Lothringerplatz Basel

Mit Adrian Eiserloh, Aida Kidane, Ambra Viviani, Anna Diehl, Arnaud Wohlhauser, Daniel Kurth, David Berweger, Florian Thate, Gil Pellaton, Inka Ter Haar, Lucie Kunz, Manuel Schneider, Mathis Pfäffli, Otthmar Farré, Philémon Otth, Raphael Loosli, Roman Kurzmeyer, Adrian Falkner, Tamara Janes, Tanja Weidmann.

 
Ausstellung und Zeitgenossenschaft

Über das Ausstellen und das Präsentieren von Kunst wird mit Blick auf die zeitgenössische Ausstellungspraxis schon seit geraumer Zeit nicht nur viel, sondern auch kontrovers diskutiert – und dies nicht nur an unserem Institut.1 Könnte es dennoch sein, dass die Bedeutung von Ausstellungen für die Erneuerung der Kunst und die Revision ihrer gesellschaftlichen Relevanz immer noch unterschätzt wird? Was aber würde dies bedeuten? Welche Form von Ausstellung ist gemeint?

Die These des US-amerikanischen Philosophen Arthur C. Danto, wonach sich ein Kunstwerk von einem alltäglichen Gegenstand nicht durch seine visuelle Erscheinung unterscheidet, sondern allein dadurch, dass es im Kontext der Kunst («artworld») tatsächlich als solches wahrgenommen und interpretiert wird, ist nicht nur längst erwiesen und allgemein akzeptiert, sondern bildet auch eine Voraussetzung für den starken, weltumspannenden Kunstmarkt, der nationale wie kulturelle Grenzen überwindet.2 Zugleich wird diese Definition von Kunst, welche Fragen nach Qualität und Inhalt auszuklammern erlaubt, durch viele Künstler inzwischen infrage gestellt. Es geht heute nicht mehr nur um die Teilhabe an einer gemeinsamen Sprache, die es ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen irgendeinen Gegenstand als Kunst zu bezeichnen, auszustellen und in Umlauf zu bringen, sondern auch darum, als Künstler an der Welt zu partizipieren und, um eine Formulierung der US-amerikanischen Kunsthistorikerin Pamela M. Lee zu verwenden, Formals «prägend» innerhalb der Dynamik der Globalisierung zu verstehen.3

In meiner Bibliothek, die aus einem kleinen französischen Frauenkloster stammt und dort bis vor wenigen Jahren in Gebrauch war, gibt es neben Büchern auf einem der Regalbretter auch eine einfache, wohlproportionierte Schachtel aus gefaltetem Karton. Die Bibliothek trägt und rahmt die Schachtel. Der schlichte, mausgraue Karton aus den 1960er-Jahren ist im Unterschied zu den Time Capsulesvon Andy Warhol leer und unbeschriftet. Warhol begann in den 1970er-Jahren, Umzugskartons mit allerlei gewöhnlichen, entbehrlichen Dingen aus seinem Alltag zu füllen. Die vollen Kartons wurden verschlossen, datiert und als Time Capsules weggestellt. Über sechshundert Schachteln sind es bis zu seinem Tod 1987 geworden.4 Ein Grund dafür, dass ich meinen leeren Karton im Regal gerne betrachte, mag sein, dass Künstler, die das Visuelle als Wahrnehmungs- und Denkraum verstehen, einen grossen Einfluss auf die Ausbildung meines Kunstwerkbegriffs hatten. Neben Künstlern der Minimal und Conceptual Art war dies vor allem Marcel Duchamp. Die kleine Geschichte ist daher mehr als eine Anekdote.

Wie tief und nachhaltig das Prinzip des Readymades im Westen die allgemeine Vorstellung sowohl davon, was ein Kunstwerk sei, als auch davon, welche Aufgaben eine Ausstellung zu erfüllen habe, geprägt und dabei auf nicht ganz unproblematische Weise auch verändert hat, wird erst allmählich erkennbar. Der deutsche Medientheoretiker Dieter Daniels versteht das Readymade als Folge und Reaktion der Kunst auf die industrielle Massenproduktion von Waren und deren Distribution im Kaufhaus, bei der die Inszenierung dieser Waren, aus denen der Kunde auswählt, entscheidend ist.[5] Glaubte man lange, dass das Readymade das Museum benötige, um ein gewöhnliches Ding ohne jede Eigenschaft eines Kunstwerks dennoch als Kunst zu auratisieren, so zeigt sich inzwischen, dass Museen selber dem Prinzip der Warenöffentlichkeit folgen und von Künstlern, Sammlern und dem Kunsthandel in diesem Sinne für ihre Zwecke genutzt werden. Duchamp gehörte, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu 1998 in einer in jeder Hinsicht bemerkenswerten Vorlesung über Manet festgestellt hat, sowohl zu den Nutzniessern als auch zu den Vollendern einer symbolischenRevolution, welche die kognitiven Strukturen veränderte und die Moderne hervorbrachte.[6] Bourdieu meint das autonome, künstlerische Feld, das mit der Verabschiedung der Salonmalerei und der durch sie repräsentierten symbolischen Ordnung im späten 19. Jahrhundert entstanden ist und neuartige Handlungsräume öffnete, die nun über ein Jahrhundert systematisch erkundet und ökonomisch ausgewertet worden sind.

Wo stehen wir heute? Der australische Kunsthistoriker, Kurator und Künstler Terry Smith weist auf den «weltlichenCharakter» der Gegenwartskunst hin und bringt damit zum Ausdruck, dass diese stets sowohl lokale und regionale als auch internationale Dimensionen habe.[7] Unsere Gegenwart sei, so die deutsche Philosophin Juliane Rebentisch, «indes nicht nur von der Überlagerung unterschiedlicher kultureller und sozialer Milieus, Traditionen und Produktionsverhältnisse und den zwischen ihnen entstehenden Widersprüchen bestimmt, sondern ebenso von der Erfahrung eines engen Nebeneinanders von Differenzen sowie von einem durch diese Differenzerfahrung vermittelten Bewusstsein von einer gleichwohl geteilten Zeit, einer Con-Temporalität».[8] Smith spricht von «Zeitgenossenschaft», die eine bewusst «planetare» Perspektive der Menschen auf die Welt einfordere. In seinem Modell des Zivilisationsprozesses resultiert dieses neue Bewusstsein aus der Globalisierung, deren Ergebnis, wie der deutsche Kunsthistoriker Hans Belting einmal schrieb, eine «technische Weltzivilisation» sei.[9] Die aktuelle Situation der zeitgenössischen Kunst unter (nachmodernen?) zeitgenössischen Bedingungen beschreibt Smith als multipolar.

Unter diesen veränderten Bedingungen eröffnet sich Künstlern die Chance, die Ausstellung als Vermittlungsmedium den Kuratoren zu überlassen und sie als Medium der Kunst neu zu erfinden. Viele Fragen, welche Kunstwerke stellen, sind, wie Künstler bei der Arbeit täglich erfahren, noch immer im Machen, im Atelier und in der Produktion verborgen.[10] Übersetzen und Verstehen von künstlerischen Sprachen, Ausdrucksformen, Wertesystemen und Zeichen sind auch in künstlerischen Prozessen zentral. Die Ausstellung als Medium der Kunst zu verstehen, könnte heissen, diesen Fragen innerhalb einer Ausstellung nachzugehen und somit den bildnerischen Prozess und die Formfindung in die Ausstellung hineinzutragen und offenzuhalten. Neuartige, erst noch zu entdeckende und zu erprobende, prozessorientierte Ausstellungsformate, welche die Künstler aus ihrem künstlerischen Handeln heraus entwickeln, würden zu Werkformenund wären ein genuiner Beitrag zu einer zukünftigen Ästhetik der künstlerischen Arbeit.

Roman Kurzmeyer


1 Der vorliegende Text begleitet die Ausstellung C’est fini l’ironie / Masterklasse 15in der Carosserie am Lothringerplatz in Basel, 31.7.–4.8.2016. Ich beziehe mich dabei auf Themen rund um das Präsentieren und Ausstellen von Kunst, die im vergangenen Studienjahr für lebhafte Debatten unter den Studierenden des Master of Fine Arts am Institut Kunst sorgten.

2 Vgl. dazu Arthur C. Danto, Das Fortleben der Kunst, München: Wilhelm Fink 2000, S. 35–36.

3 Pamela M. Lee, Forgetting the Art World, Cambridge (MA)/London: MIT Press 2012, S. 25.

4 Vgl. dazu Andy Warhol’s Time Capsule 21, Ausst.-Kat. The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Köln: DuMont 2003.

5 Dieter Daniels, Vom Readymade zum Cyberspace. Kunst/Medien Interferenzen, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2003, S. 27.

6 Pierre Bourdieu, Manet. Eine symbolische Revolution. Vorlesungen am Collège de France 1998–2000. Mit einem unvollendeten Manuskript von Pierre und Marie-Claire Bourdieu, hg. von Pascale Casanova, Patrick Champagne, Christophe Charle, Franck Poupeau und Marie-Christine Rivière, Berlin: Suhrkamp 2015.

7 Terry Smith, «Contemporary Art. World Currents in Transition Beyond Globalization», in: Hans Belting, Andrea Buddensieg und Peter Weibel (Hg.), The Global Contemporary and the Rise of New Art Worlds, Ausst.-Kat. ZKM | Museum für Neue Kunst, Karlsruhe, Cambridge (MA): MIT Press 2013, S. 186–192.

8 Juliane Rebentisch, Theorien der Gegenwartskunst zur Einführung, Hamburg: Junius 2013, S. 185–186.

9 Hans Belting, «Der Ort der Bilder II. Ein anthropologischer Versuch», in: Ders., Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München: Wilhelm Fink 2001, S. 60.

10 Vgl. dazu weiterführend Roman Kurzmeyer und Eva Schmidt (Hg.), At Work. Atelier und Produktion als Thema der Kunst heute, Ausst.-Kat. Museum für Gegenwartskunst Siegen, Köln: Snoeck 2014.