Atlas of Heavens
Diplomausstellung Bachelor und Master
Kuratiert von Sofía Hernández Chong Cuy und Chus Martínez
27. August bis 2. September 2018
Kunsthaus Baselland, kunsthausbaselland.ch
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Mit Linus Baumeler, Nora Berman, Conrad Bosshard, Iris Brodbeck, Leonardo Bürgi, Ralph Bürgin, Daniela Caderas, Anastasia Chaguidouline, Séverine Christen, Nadine Cueni, Anna Diehl, Marina Fehr, Jérémy Gigandet, Leolie Greet, Melvin Hasler, Paula Herrmann, Cyril Hübscher, Katharina Kemmerling, Manuel Köchli, Danielle Küchler, Mario Kull, Rebecca Kunz, Shani Lawrence, Kaspar Ludwig, Nicholas Matus, Marie Matusz, Julia Minnig, Sebastien Rück, Dorian Sari, Angèle Siegenthaler, Gregory Stäuble, Simone Steinegger, George Tryfonos, Cassidy Toner, Sean Völlmin, Davide Wouda, Linda Wunderlin, Dario Zeo
Die diesjährige Bachelor- und Master-Diplomausstellung des Institut Kunst HGK FHNW in Basel – kuratiert von Sofía Hernández Chong Cuy, Direktorin des Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam, und Chus Martínez, Leiterin des Institut Kunst – präsentiert neu geschaffene Werke von achtunddreißig jungen Künstlerinnen und Künstlern, welche die Rolle erforschen, die Kunst und Kultur dabei spielen, uns daran zu erinnern, dass die künstlerische Erfahrung eng mit der Freiheit verbunden ist und daher entscheidend für die Entwicklung eines sozialen Lebensgefühls ist, und für Werte, die mit komplexen Ideen verbunden sind, Werte, die wir brauchen, um unsere Hoffnung als aktive Mitglieder der Welt, in der wir leben, zurückzugewinnen.
Zum dritten Mal findet die Abschlussausstellung des Institut Kunst im Kunsthaus Baselland statt. Die Tatsache, dass diese Veranstaltung nicht auf dem Campus, sondern in einer Kunstinstitution stattfindet, wie auch die Zusammenarbeit zwischen Chus Martínez und einem Gastkurator bei der Konzeption der Ausstellung, spiegeln die Besonderheit dieses Moments in der Ausbildung junger Künstlerinnen und Künstler wieder: Sie betont den Übergang vom betreuten Umfeld der Kunsthochschule zu den Herausforderungen der Karriere professioneller Künstlerinnen und Künstler. Das Projekt ist auch ein Ergebnis der ausserordentlichen kulturellen Dichte, die Kunststudierende in Basel während ihrer Zeit am Institut erleben dürfen. Damit würdigt die Bachelor- und Master-Abschlussausstellung bereits im dritten Jahr auch die grosse Bedeutung dieses besonderen Reichtums an künstlerischen Einrichtungen für die Ausbildung junger Künstlerinnen und Künstler.
Unsere Zeit ist geprägt durch ein besonderes Verständnis von privatem Glauben, von Selbsterkenntnis, von den Bedingungen, die unser tägliches Leben bestimmen, und von dem, was notwendig ist, um unseren Hoffnungen eine Struktur zu geben und um das zu gestalten, was viele als unser Schicksal bezeichnen. Diese komplexe Architektur aus realen Bedingungen, der unglaublichen Präsenz aller Bilder, mit denen wir koexistieren, und die vielen Himmel – unsere individuellen und kollektiven – die wir erfinden, um uns die Zukunft vorzustellen, lassen das heutige Leben auf beispiellose Weise zwischen Einsamkeit und Leere oszillieren. Einsamkeit entsteht als akutes Gefühl der Verlassenheit im Anschluss an ein grosses Versprechen der Fürsorge, der Liebe, des Miteinanders, der Berührung, der Gegenseitigkeit, des Verstehens ... Leere wird als Entzug empfunden, als ein Gefühl, das die Wirkung der individuellen Einsamkeit verstärkt und uns zugleich in Angst davor lähmt, dass wir unfähig sein könnten, das Gespür für Freiheit und Werte zu entwickeln, das ein Manuskript der neu erforderlichen sozialen und natürlichen Verträge zu artikulieren vermag.
Statistiken besagen, dass wir nach der New-Age-Bewegung der 60er und 70er Jahre ein unglaubliches und sehr unterschiedliches Revival der Astrologie erleben. Neuartig deshalb, weil mit dem Digitalen einerseits neue Werkzeuge geschaffen wurden, um die Zeichen zu befragen und zu deuten, und andererseits, weil uns das Digitale nicht in ein neues «Zeitalter» führt, sondern zu einer Welle der Abhängigkeit von den Sternzeichen. Das Internet bietet Millionen von Möglichkeiten, den Sternen die immer gleichen Fragen zu stellen: Werde ich die Liebe finden? Werde ich reich werden und entfliehen können? Werde ich mit vollkommener Glückseligkeit, mit Freude und Frieden gesegnet sein? Seit der Antike formuliert die Astrologie eine Hypothese: Es existiert ein Zusammenhang zwischen den Sternen und der Erde, zwischen der Ordnung des Kosmos und dem Leben. Und deshalb bietet sie im Zeitalter von Emojis und Memes ein noch besseres, mächtigeres Vokabular, um Stimmungen – und als Erweiterung deren – die Persönlichkeit anzusprechen, sie ist aber auch ein Werkzeug, um mit unseren Erwartungen an die Herausforderungen und Möglichkeiten des Lebens fertig zu werden. Allerdings lässt sich sagen, dass die Systeme zur Wesensdeutung in Zeiten der Ohnmacht auch genderspezifisch sind. Während Männer ihre Hoffnung auf Antworten in Richtung des breiten Spektrums psychedelischer Drogen und Trinken lenken, bringen Frauen hingegen ihr wachsendes Gefühl an Glasdecken, Wände und Böden zu stossen durch Diagramme, Internethoroskope und ein vertieftes Wissen über die Kompatibilitäten, die von ihren Geburtshoroskopen beeinflusst werden, zum Ausdruck.
Die westliche Idee vom Werden entsteht durch die Interaktion babylonischer, ägyptischer und griechischer Astrologie. Aber wir sind zugleich das Ergebnis einer grossen, unerklärlichen Revolution, die sich im 5. Jahrhundert v. Chr. ereignete: das Erstellen des Katalogs der zwölf Tierkreiszeichen und, was noch bedeutender ist, dem Übergang von einer offiziellen Wahrsagung hin zur Entwicklung von Geburtshoroskopen, welche die Eigenanwendung der Astrologie zur Bestimmung individueller Schicksale markieren. Aber warum bringen wir diese Fragen in den Kontext einer Abschlussausstellung von Master- und Bachelor-Studierenden in Bildender Kunst? Keine dieser Arbeiten thematisiert die Tierkreise, aber alle versuchen auf signifikante Weise eine Kunst zu entwickeln – die, als eine der höchsten Ausdrucksformen von Freiheit, wie die Sterne auf das Wohlergehen des Lebens hin ausgerichtet ist – inmitten einer Zeit, in der monströse politische Kämpfe eine Sprache ersetzen, die in der Lage ist, über die komplexen Aufgaben zu sprechen, denen wir uns annehmen müssen. Aufgaben, die nicht zu verwechseln sind und nicht verwechselt werden dürfen mit der alten, rechten Abwehrhaltung, die Ungleichheit, Fremdenfeindlichkeit oder Angst durch Populismus erlaubt. Wir müssen die Sterne interpretieren, sie leben in der Kunst. Aus all den Zeichen und Geistern, die uns in Kultur und Natur helfen, ist es die Kunst – als höchste Vertreterin des Lebens in einem kommenden Parlament von Symbolen und Psychen – welche die neuen Worte inspiriert, die alle zukünftigen Gesellschaftsverträge brauchen.
Ausführliche Dokumentation aller Arbeiten unter: nextgeneration.hgk.fhnw.ch
Fotos: Christoph Bühler, Christian Knörr, Video: Raphael Stucky