Peace or Never

Was du sehen wirst, ist eine Diplomausstellung. Sie versammelt die Arbeiten der Studierenden, die ihr drittes Jahr Bachelor und ihr zweites Jahr Master am Institut Kunst Gender Natur der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel abschliessen. Diplomausstellungen sind eine Konstellation von zwei Kräften: Kunstausbildung und Kunstpraxis. So verbunden, schaffen sie einen äusserst interessanten Raum, in dem wir uns mit den Werten auseinandersetzen können, die wir für unsere Zukunft und unseren zukünftigen Frieden anstreben. Gewalt hat hier keinen Platz, keine Berechtigung, keine Praxis. Zu sagen, dass Kunst und die Gemeinschaften der Kunstschaffenden ein Impfstoff gegen den Krieg sind, mag idealistisch scheinen. Aber wir betonen immer wieder, wie unrealistisch es ist, die Sphären des Lebens und der Kunst einerseits und die Logik von Gier und Krieg andererseits zu trennen. Tatsächlich funktioniert das Leben nur durch Verbundenheit und Gegenseitigkeit. Und wir behaupten, dass es die Aufgabe der Kunst ist, dieses Fliessen aufrechtzuerhalten, sich voll und ganz auf alle Aspekte eines sinnlichen Lebens einzulassen. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum die Kunst erfunden wurde, um das Leben vor dem Stillstand zu bewahren. Erinnern wir uns, dass die Entdeckung, einen einfachen Stock als Waffe zu benutzen, mit der faszinierenden Erscheinung von Tierbildern in Höhlen zusammenfiel. Es gibt also einen Grund, den Wert von Kunst und Künstler*innen als Bewahrer*innen des Lebens zu bekräftigen.

Ausstellungen, die aus kollektiven Energien des Seins hervorgehen, wie diese Diplomausstellung, sind schwer zu fassen. Gibt es Merkmale, die es uns erlauben, die Folgen der Pandemie oder die Züge dieser Generation zu «lesen»? Wir hoffen nicht. Kunstmaterialien, künstlerische Sprachen und zeitgenössische Praktiken sind keine Daten. Sie offenbaren keine statistischen Tendenzen unserer Gegenwart. Künstler*Innen entwickeln sich aus ihren eigenen Geschichten, der Logik und dem Verständnis ihrer Praxis. Sie «reagieren» nicht nur auf die Anforderungen der Gegenwart. Das ist eine sehr gute Eigenschaft. Es gibt genug Disziplinen, Werkzeuge und Methoden, die auf das Jetzt «reagieren» – so wie es Mediensprachen und deren Unternehmen formulieren. Was wir brauchen, ist genau diese Verzögerung zwischen dem Realen und uns selbst, um unsere Erwartungen, Hoffnungen und unser Leid zu sehen und darüber nachzudenken.

Du siehst in dieser Ausstellung viele Versionen des Realen, unzählige Arten, das Vertrauen in die Kunst auszudrücken. Warum nennen wir es eine kollektive Ausstellung? Beim Besuch von Kunstorten wirst du oftmals mit dem Begriff «Gruppenausstellung» konfrontiert. Normalerweise bedeutet dies, dass die Kurator*innen Werke für eine Ausstellung ausgewählt haben, die sich um ein bestimmtes Thema dreht. Unsere ist eine andere Geschichte. Wie bei einer grossen internationalen Ausstellung – etwa einer Biennale oder einer documenta – haben die teilnehmenden Künstler*innen eine neue Arbeit für diesen Anlass geschaffen. Es ist keineswegs arrogant, die Methoden grosser internationaler Ausstellungen mit dieser zu vergleichen, denn der Hauptunterschied besteht darin, dass hier alle teilnehmenden Künstler*innen auch Studierende sind. Und das ist kein Grund, ihren Einsatz beim Schaffen von neuen Werken als weniger wichtig zu erachten als den erfahrenerer Künstler*innen. Das Ergebnis ist dasselbe: Der Tag, an dem die Ausstellung für dich – für unser geliebtes Publikum – fertig ist, ist auch der erste Tag, an dem alle teilnehmenden Künstler*innen die Werke der anderen sehen. Das setzt Vertrauen voraus, ein enormes Vertrauen und Freude an der Arbeit der Gemeinschaft, der sie angehören. Sie alle wissen, dass es sich lohnt, diese Werke und den Raum in diesem besonderen Kontext, dieser besonderen Zeit, zu teilen. Ausserdem werden wir Zeug*innen eines sehr emotionalen Moments in ihrem Leben, des magischen Übergangs vom Leben als Kunststudierende zu demjenigen als Künstler*innen, für immer. Dies ist eine gegenseitige Abmachung zwischen ihnen allen und uns. Frieden oder nie. Das heisst, Frieden für immer.

Wir danken dem Kunsthaus Baselland, seiner Direktorin Ines Goldbach und ihrem Team für die bereits siebte Zusammenarbeit bei der Diplomausstellung und für die erneute Gastfreundschaft. Wir danken auch dem gesamten Team des Institut Kunst Gender Natur für die Begleitung und tatkräftige Unterstützung, und nicht zuletzt danken wir allen teilnehmenden Künstler*innen für ihre wunderbaren Arbeiten, ihr Vertrauen in uns und sich selbst sowie für den kontinuierlichen Austausch.

Fernanda Brenner und Chus Martínez