Die sehnsüchtige Stadt

Künstlerische Interventionen

19. Mai – 20. Mai 2015
Basel Stadt und Umgebung

Mit: Anna Balint, Mattania Bösiger, Leonardo Bürgi, Chris Handberg, Jemima Läubli, Laura Mietrup, Elia Navarro, Rebeka Schiessl, Fidel Stadelmann, Sandra Steiner, Aysa Stettler

Organisiert von: Nicolas Kerksieck und Sarina Scheidegger, Institut Kunst HGK FHNW

Definition «öffentlicher Raum»

Mit den Veränderungen der Stadtform und der Stadtstruktur hat sich auch der öffentliche Raum der Stadt gewandelt. Parallel dazu, und ebenfalls beeinflusst durch den sozialen Wandel, ist ausserdem eine Entwicklung der Öffentlichkeit und der Definition von Öffentlichkeit zu beobachten.1 Der Begriff des öffentlichen Raumes wird heute in unterschiedlichen Kontexten verwendet. Ausgehend vom traditionellen Raumbegriff, der einen physisch fassbaren, dreidimensionalen Ort meint, werden hier vier Anwendungen des Begriffs vorgeschlagen. Die jeweiligen Eigenschaften dieser öffentlichen Räume können bei einem bestimmten öffentlichen Raum einzeln oder in Kombination auftauchen und gelten ebenso für Aufenthalts- und Verkehrsräume im Äussern wie für Bauten oder Innenräume. Grundsätzlich können auch virtuelle Räume als öffentliche verstanden werden.

1. Öffentlicher Raum als Raum, der Eigentum der öffentlichen Hand ist

Als öffentlicher Raum im Eigentum der öffentlichen Hand gelten öffentliche Aussenräume, etwa Aufenthaltsräume und Verkehrsräume, sowie öffentliche Bauten und Innenräume. Räume in öffentlichem Eigentum beinhalten vor allem Nutzungen, die dem Allgemeinwohl dienen. Je nach Nutzung ist die Zugänglichkeit der Räume reguliert. In jüngster Zeit ist eine zunehmende Privatisierung von Räumen der öffentlichen Hand zu verzeichnen sowie Tendenz, öffentliche Räume dienstleistungsorientiert zu nutzen. Besonders profitieren davon kommerzielle Zwecke kulturellen Charakters. Für die Definition des öffentlichen Raums scheint das Kriterium des Besitzes immer geringere Relevanz zu haben, so dass vermehrt vonhalböffentlichen und halbprivaten Räumen die Rede ist.

2. Öffentlicher Raum als Raum, der von der Öffentlichkeit genutzt wird oder dessen Nutzung der Öffentlichkeit dient

Durch den stark anwachsenden privaten Dienstleistungssektor – unter anderem aufgrund der zunehmende Privatisierung des service public – werden immer mehr Räume öffentlich genutzt. Die Absicht der privaten Unternehmungen, eine gute Rendite zu erzielen, führt in den Räumen zu einer Einschränkung der Zugänglichkeit und zum Ausschluss finanziell schwächerer Einkommensklassen und sozialer Randgruppen.

3. Öffentlicher Raum als Raum, welcher der Öffentlichkeit zugänglich ist

Durch die freie Zugänglichkeit dienen Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, als Begegnungsorte und Treffpunkt. Es besteht allerdings die Tendenz, Treffpunkte zunehmend an kommerzialisierte und private Orte zu binden. Ebenfalls wird die Zugänglichkeit öffentlicher Räume zunehmend eingeschränkt – meistens im Kontext der Besorgtheit um «Sicherheit» und «Sauberkeit» sowie der Privatisierung im Sinne der Eigentumsverhältnisse – und die öffentlichen Räume zu werden kontrollierten Räumen mit Hausordnungen, Sicherheitsangestellte und Überwachungskameras.2

4. Öffentlicher Raum als Raum, der einen öffentlichen Charakter hat

Gemäss den verschiedenen Konzepten und Definitionen des Öffentlichkeits-Begriffs sowie seines Wandels ist «öffentlicher Charakter» eine vielseitige Eigenschaft, die oftmals mit «städtischem Charakter» in Verbindung gebracht wird. Unterschiedliche Kriterien machen öffentlichen Charakter aus: hohe Funktionsdichte und -überlagerung zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten; grosse Zahlen verschiedener, sich fremder Akteure; Begegnungs- und Aufenthaltsort; Interaktionsort; Warenumschlagplatz; Zentrumsfunktion; repräsentativer Charakter zum Beispiel durch ästhetische Gestaltung; Attraktivität.

Da es sich nicht anbietet, beim Gebrauch des Begriffs «öffentlicher Raum» nur von einem möglichen Verständnis auszugehen, sollten die Begriffe «öffentlich» und «öffentlicher Raum» mit dem jeweiligen Verständnis, den konkreten Besitz- und Nutzungsverhältnissen, der Zugänglichkeit und den Eigenschaften genauer bezeichnet werden.


1 Vgl. exemplarisch: Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1990 (1962); Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Fischer, Frankfurt a. M. 2002 (1974).

2 Zum Einfluss des zunehmenden Sicherheitsbedürfnisses auf den öffentlichen Raum vgl. exemplarisch: Mike Davis, City of Quartz. Ausgrabungen in Los Angeles und neuere Aufsätze. Schwarze Risse/Rote Strasse, Berlin/Göttingen 1994 (engl. 1990); Elisabeth Blum, Schöne neue Stadt. Wie der Sicherheitswahn die urbane Welt diszipliniert. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 2003.