• Installationsansicht Temporary Perfection, Stapflehus, Weil am Rhein, Foto: Institut Kunst

  • Installationsansicht Temporary Perfection, Thy Truong, I’d Never Say, I’d Rather Sleep, 2019, Stapflehus, Weil am Rhein, Foto: Institut Kunst

  • Installationsansicht Temporary Perfection, Stapflehus, Weil am Rhein, Foto: Institut Kunst

  • Installationsansicht Temporary Perfection, Anina Müller, Pretty Little Things, 2019, Stapflehus, Weil am Rhein, Foto: Institut Kunst

  • Installationsansicht Temporary Perfection, Charlotte von Engelberg, Anthium und 2050, Stapflehus, Weil am Rhein, Foto: Institut Kunst


TEMPORARY PERFECTION

Samuel Bron, Nadine Cueni, Charlotte von Engelberg, Jérémy Gigandet, Marlijn Karsten, Jasper Mehler, Anina Müller, Melissa Torres, Thy Truong, Dorian-Orlando Weber

Kuratiert von Marion Ritzmann und Alice Wilke

Vernissage Samstag 17. Oktober 2020, 18:00 – 20:30
Ausstellung 18. Oktober – 15. November 2020

Das Stapflehus bleibt aufgrund der aktuellen Covid-19-Massnahmen in Deutschland vorübergehend geschlossen.

Stapflehus
Bläsiring 10, 79576 Weil am Rhein
stapflehus.de

Öffnungszeiten
Samstag 15:00 – 18:00
Sonntag / Feiertage 14:00 – 18:00

Die Ausstellung Temporary Perfection zeigt Werke von Studierenden sowie Alumnae und Alumni des Institut Kunst HFG FHNW in Basel. Das Stapflehus in Weil am Rhein dient dabei als Spielfeld innerhalb dessen sich die Künstler*innen mittels verschiedener Medien und Formensprachen mit persönlichen Fragen in Bezug auf unsere Zeit und Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Titel der Ausstellung ist Johan Huizingas Schrift Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1938) entnommen. Darin benennt der Kulturhistoriker die wesentlichen Eigenschaften des Spiels als einem elementaren Kulturgut und zeigt dessen wichtige Rolle für das soziale Miteinander auf. Spielende Menschen – gleichermassen wie Tiere – tun dies nicht allein aus reiner Freude und purem Vergnügen. Die zu Unrecht oftmals als oberflächlich konnotierte «Lust am Spiel» ist ein Aspekt, dem eine weitaus tiefere Bedeutungsebene zugrunde liegt. Das Spiel nimmt tatsächlich Teil am Ernst des Lebens, es besitzt selbst eine ernsthafte Funktion. Im Idealfall jedoch geht es im Spiel nicht um solche Maximen wie «ohne Fleiss keinen Preis» oder «der Sieger bekommt alles». Denn jenseits der an gesellschaftlichen Maßstäben wie Leistung, strategischen Vorteilen und Profitorientierten Strukturen, die in Folge Mechanismen wie Konkurrenzverhalten, Wettkampf und Gewinnorientierung befördern, erfüllt das Spiel an und für sich genommen gerade keinen (wirtschaftlichen) Zweck. Inmitten einer chaotischen Welt, die, geprägt von Pandemien, Umweltzerstörungen und sozialen Ungerechtigkeiten auf vielen Ebenen zunehmend an Sinnhaftigkeit zu verlieren scheint, vermag das es hingegen einen Sinn zu stiften. Das Spiel – als Äquivalent für die Kunst – «schafft Ordnung, ist Ordnung. In eine unvollkommene Welt und in die Verschmelzung des Lebens bringt es eine vorübergehende, eine begrenzte Vollkommenheit.», schreibt Huizinga.

Diese Form der Ordnung und Vollkommenheit in sich erscheint uns umso wertvoller, da sie offenbar nur zeitlich und räumlich begrenzt möglich ist. Es geht dabei um den Moment, der innerhalb seines definierten Rahmens einen Anspruch auf Absolutheit und Wahrhaftigkeit besitzt. Etwa zwanzig Jahre nach Huizinga macht der Soziologe Henri Lefebvre in Bezug auf das Wesen des Spiels eine erneute «Bestandsaufnahme» (The Inventory, 1959) die in kultureller, soziologischer und politischer Hinsicht zentral um jene Idee des Moments kreist. Es geht ihm hierbei buchstäblich, um die Art und Weise aufzuzeigen, wie wir in verschiedenen Lebensbereichen die Momente aufteilen, wie wir sie wahrnehmen und unterscheiden, wie wir sie miteinander in Verbindung setzen, wie wir sie vereinen. Er schreibt im Hinblick auf den künstlerischen Ausdruck: «Es gibt den Moment der Poesie, der fest auf der Form der Sprache ruht. Ein Objekt, ein Wesen, ein flüchtiger Eindruck, erhalten so das Privileg der Präsenz. Ein Lächeln oder eine Träne, ein Haus oder ein Baum werden zu einer ganzen Welt.» Und an anderer Stelle fügt er hinzu: «Auf diese Weise ‹spiegelt› die Zivilisation die Natur, sei sie nun materiell oder lebendig, wider; aber die Beziehung, um die es dabei geht, unterscheidet sich radikal von einer passiven Reflexion. Sie extrahiert natürliche Elemente aus der Natur, um sie tiefgreifend zu verwandeln, indem sie sie in Formen einfügt: in eine menschliche Ordnung.»

Diese Möglichkeit des Spiels (und entsprechend der Kunst) temporäre Welten zu bilden, Orte der Transformation und der Präsenz zu schaffen, können als die Leitmotive dieser Ausstellung betrachtet werden. Es sind die roten Fäden, welche die Bandbreite der Ideen, Themen, Materialien und Medien miteinander in Verbindung setzen, und die Regelwerke für das spielerische Zusammentreffen der Künstler*innen aufstellen. Es geht bei diesem Projekt darum, einen gemeinsamen Moment zu gestalten. Und um die darin enthaltenen Werke, die zum (Gedanken-)Spiel einladen, denn, wie Lefebvre schreibt, entstehen «die wahren Spiele aus magischen Objekten». Sie manifestieren und materialisieren sich in Form der hier gezeigten Auswahl. Es geht nicht zuletzt auch darum, kostbaren Raum zu schaffen für reale Begegnungen und für die Auseinandersetzungen mit den Fragen, welche diese Generation junger Kunstschaffender an sich selbst und die Umwelt stellt: Wie definieren wir unter den gegebenen Zuständen und mit Hinblick auf die Ungewissheit der Zukunft unser Verhältnis zu Begriffen wie Natur, Identität, Konsum, Gesellschaft, Gerechtigkeit, Freiheit? Am Ende realisiert sich der bescheidene Versuch, das große Chaos wenigstens zeitweise im Kleinen neu zu ordnen.